Mein Plan für die neue inhaltliche Ausrichtung dieses Blogs ist es, euch unbekanntere Autoren, unbekanntere Bücher, und unbekanntere Ausgaben vorzustellen und näherzubringen.
Und dann beginne ich diese Kategorie mit einem der ganz großen Schriftsteller? Ist das nicht widersprüchlich? Aber lest selbst!
In dieser Ausgabe von THE STRANGE LIBRARY (dt. Die unheimliche Bibliothek), die ich durch Zufall in einer englischen Buchhandlung fand, werden Text und Bild zu einer faszinierenden (experimentellen) Symbiose, die für mich das Leseerlebnis auf eine ganz neue Stufe gehoben hat.
Haruki Murakami erzählt von einem wissbegierigen Jungen, der nach der Schule noch schnell die Bibliothek aufsuchen möchte, weil ihm eine Frage unter den Nägeln brennt.
All I did was go to the library to borrow some books.
Womit er allerdings nicht rechnet, ist, dass ihn diesmal ein älterer Mann durch ein Labyrinth unter der Bibliothek führt… Was die Intention dieses alten Mannes ist, und warum das mit Donuts und einem stummen Mädchen zusammenhängt, will ich hier nicht vorwegnehmen. Nur: Nach dem Zuklappen des Buches bleibt man in dieser typisch nachdenklich-verträumt-rätselhaften Stimmung zurück, in die einen Murakami so oft versetzt.
Diese Ausgabe, gestaltet von Suzanne Dean für Harvill Secker* (2014) ist für mich ein Exempel von Buchkunst, welches ich mir von Verlagen häufiger wünschen würde – und für die ich auch tatsächlich bereit wäre, einen höheren Preis zu zahlen als für eine ‚normale‘ Ausgabe.
In meinen Augen hat Suzanne Dean hier eine wahre Meisterleistung vollbracht: Beginnend auf dem Cover mit der Papiertasche, wie für eine Ausleihkarte vorgesehen, innen die vierfarbige Gestaltung mit einer Mischung aus hauptsächlich alten Original-Abbildungen aus Büchern der London Library, ergänzt durch mit Intention platzierte Stempel und durch eine insgesamt sehr wirkungsvolle Farbgestaltung. Dieses Gesamtkonzept hat für mich eine Atmosphäre beim Lesen geschaffen, wie ich sie bisher kaum erfahren habe.
Der Name Suzanne Dean wird den meisten beim ersten Lesen vermutlich nichts sagen, aber habt ihr die neue Gestaltung der Bücher von Margaret Atwood vor Augen? Genau, die ist nämlich zum Beispiel auch aus der Feder von Suzanne Dean. Wer jetzt, so wie ich, dem weißen Kaninchen folgen möchte, dem empfehle ich einen Blogpost von Februar 2020 von Penguin UK über Deans Prozess des Covergestaltens. Oder werft doch einmal einen Blick auf ihr Portfolio.
Natürlich bietet sich nicht jedes Buch für eine derartig aufwändige Gestaltung an. Murakami hat hier vermutlich mit der Kürze und Verdichtung seines Textes eine Steilvorlage geliefert – die übrigens auch der deutsche Lizenznehmer Dumont in seiner Ausgabe mit den Illustrationen von Kat Menschik sehr wirkungsvoll ergänzt hat.
Trotzdem würde ich mir für die Zukunft mehr Mut von den Verlagen und mehr genau solcher Bücher wünschen – die einen nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell überraschen. Dieses Leseerlebnis ist mir auch tatsächlich einen höheren Verkaufspreis wert.
Eine Handvoll weiterer ähnlich konzipierter Bücher habe ich bereits im Regal stehen, von denen ich euch in den kommenden Postings dieser Blog-Kategorie gern noch berichten mag. Ich werde auf jedem Fall meine Augen nach weiteren solcher Buchschätze offen halten.