Wahrscheinlich spreche ich für viele von euch, wenn ich sage, dass 2020 ein durchwachsenes Lesejahr war. Mal war der Wunsch nach Alltagsflucht so groß, dass ich mehrere Bücher pro Woche las. In anderen Monaten war der Monkey Mind dann so stark, dass ich kein einziges Buch zur Hand nehmen wollte. Wenn ich mir nun diesen Stapel mit seinen 44 Titeln im Rückblick noch einmal anschaue, dann fallen mir zumindest zwei Dinge auf. Erstens, ich habe deutlich vielfältiger gelesen. Sachbücher, Lyrik, Graphic Novels – you name it. Und zweitens, ich habe aktuell viel mehr Spaß an experimentellen Formen, Kurzstücken, Illustrierten Werken. Na gut, man könnte dann wohl auch behaupten, dass ich die Lust am klassischen Roman aktuell wohl ein bisschen verloren habe… Daher bin ich auch schon gespannt, wohin mich meine Leseneugier 2021 so treibt!

(Wenn ihr nachfolgend auf die Buchcover klickt, führt euch das zur jeweiligen Verlagsseite.)
Die positive Überraschung in 2020?
Delia Owens - Der Gesang der Flusskrebse
Madeleine Alizadeh - Starkes weiches Herz
Der Gesang der Flusskrebse ist mir das erste Mal aufgefallen, als der Titel Ende 2019 zum „Lieblingsbuch der Unabhängigen“ gewählt wurde. Aus irgendeinem Grund dachte ich aber zunächst, der Titel sei nichts für mich; vielleicht hatte ich eine Art Südstaatenromanze erwartet? Jedenfalls ploppte das Buch immer wieder in meinem Instagram-Feed auf – zu Recht! Der Gesang der Flusskrebse ist ein ungewöhnlicher Bildungsroman, Spannungsroman und Nature Writing in einem. Extrem faszinierend, mit welch gekonntem Stil und cleverem Plot die Autorin dieses Debüt abgeliefert hat. Muss ich definitiv noch einmal ausführlich hier darüber berichten!
Starkes weiches Herz fällt definitiv unter die Kategorie ‚Insta made me Read it‘. Ich kenne den Account der Wienerin schon eine ganze Weile, und finde die Message und Haltung, die sie auf @dariadaria rüberbringt, sehr wichtig und richtig. Allerdings bin ich absolut kein Fan von Self Help/Lebenshilfe-Ratgebern. Irgendwann hat aber doch die Neugier gesiegt und ich habe mir die Audio-Variante heruntergeladen. Großer Pluspunkt: Madeleine Alizadehs sehr angenehme Stimme, mit der sie ihre eigene Geschichte erzählt. Da meine Erwartungen zugegeben nicht sehr hoch waren, war es natürlich leicht, mich positiv zu überraschen. Es sind definitiv viele gute Denkansätze für Menschen darin, die noch oder wieder auf der Suche nach ihrem Weg im Leben sind. Und in der Print-Version hätte ich mir sicher die ein oder andere Textpassage unterstrichen. Aber insgesamt hat mir hier doch der rote Faden gefehlt. Und der Untertitel ist schon auch ein bisschen dick aufgetragen.
Die negative Überraschung in 2020?
Daniela Krien - Die Liebe im Ernstfall
Charlotte McConaghy - Zugvögel
Nachdem ich damals vom Debüt von Daniela Krien (Irgendwann werden wir uns alles erzählen) sehr begeistert war, hatte ich mich sehr auf ihr neuestes Werk Die Liebe im Ernstfall gefreut. Besonders die Idee, eine Geschichte als Rondo zu erzählen, fand ich spannend. Leider hat man aus dieser Idee viel zu wenig gemacht, die Überschneidungen der Lebenswelten der Charaktere sind marginal. Auch war mir die Grundstimmung der Geschichte zu melancholisch-depressiv. Sehr schade.
An Zugvögel kam man im letzten Jahr wohl kaum vorbei. Ich habe das Hörbuch gehört, und bin nicht ganz sicher, ob das ein Fehler war, weil die Sprecherin die Wirkung schon sehr stark beeinflusst. Beeindruckt hat mich, wie sich die Haltung des Lesers zur Protagonistin im Laufe der Geschichte immer wieder wandelt. Sehr spannend! Mein größter Kritikpunkt ist allerdings, dass die Autorin weder den Raum hat, den Klimawandel-Background im Detail zu beschreiben aber dann am Schluss auch nicht den Absprung findet, ein guten Abschluss für die psychologische Entwicklung der Protagonistin zu finden. Enttäuscht daher für mich leider auf beiden Ebenen. 100 Seiten mehr oder 100 Seiten weniger hätten mir ein besseres Leseerlebnis beschert.
Die Autoren-Neuentdeckung des Jahres?
Joachim Meyerhoff
Jasmin Schreiber
Joachim Meyerhoff mit Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke war so ein Fall von ‚Ich hör bei Bookbeat mal rein.‘ Schnell aber mochte ich, was und wie der Autor hier erzählt. Schon lange habe ich mich nicht mehr so gut unterhalten gefühlt. Leider hat Bookbeat den Autor dann aus dem Programm genommen, bevor ich das Buch beenden konnte. Aber vielleicht sollte ich dann ohnehin mit Amerika beginnen.
Wie genau ich auf Marianengraben stieß, kann ich gar nicht mehr sagen (Vielleicht auch die Auswahlliste der Unabhängigen?). Jedenfalls machen mich Debüts deutscher Autor*innen immer neugierig. Und Jasmin Schreiber liefert für mich den Beweis, dass man Roadnovels immer noch frisch und aus neuem Blickwinkel schreiben kann. So klug, authentisch, berührend und mit Witz über Trauerbewältigung zu schreiben, das hat mich echt begeistert. Auf jeden Fall ein Buch zum Noch-einmal-Lesen.
Die Lieblingscover 2020?
Katie Daisy - How to be a Wildflower
Lorena Alvarez - Nightlights
Mir ist gerade aufgefallen, dass ich hier genau zwei Cover ausgesucht habe von der wenigen englischen Literatur, die ich letztes Jahr las. Zufall? Augenscheinlich konten mir diese farbenfrohen Cover im tristen Corona-Jahr wohl zumindest ein bisschen zusätzliche gute Laune bescheren!
Was steht auf der Leseliste für 2021 ganz oben?
Benedict Wells - Hardland
Jasmin Schreiber - Abschied von Hermine


Hard Land – endlich ein neuer Wells! Benedict Wells ist ja nun bei weitem nicht als Schnellschreiber bekannt. Auch diesmal hat er sich wieder mehrere Jahre Zeit für seinen neuen Roman gelassen. Bis auf Spinner habe ich alle seine Bücher gelesen und als Leserin der ersten Stunde (2010) bin ich natürlich auch auf dieses neue Werk gespannt.
Jasmin Schreiber hat mich mit ihrem Debüt ungemein begeistert und da habe ich mich natürlich sehr gefreut als ich erfahren habe, dass mit Abschied von Hermine dieses Jahr ein weiteres Werk von ihr erscheint.
Ich bin gespannt, welche weiteren Neuerscheinungen ich dieses Jahr noch lesen werde.
Welche Bücher wollt ihr dieses Jahr unbedingt lesen? Welches war euer Lieblingsbuch in 2020?