AUTOR Arthur Schnitzler | GENRE Novelle / Klassiker
ERSCHEINUNGSJAHR 1926 | SPRACHE Deutsch
VERLAG Reclam | SEITEN 123 | PREIS € 2,60 (TB)
Inhalt:
Fridolin und Albertine sind glücklich verheiratet, habe eine 6-jährige Tochter und leben ein gutbürgerliches Leben im Wien (circa um die Jahrhundertwende). Fridolin ist Arzt im Krankenhaus, seine Frau Albertine muss nicht arbeiten.
Als sie eines Abends in ausgelassener Stimmung von einem Maskenball heimkehren, wendet sich das Gespräch ihren geheimen Wünschen in Sachen Partnerschaft zu. Doch das Gespräch endet abrupt, als Fridolin noch in der selben Nacht zu einem Patienten gerufen wird. Nach dem Patientenbesuch will Fridolin nicht heimkehren, zu sehr beschäftigt ihn scheinbar das Gespräch über Treue und Wünsche, dass er eben mit Albertine geführt hat. So treibt es Fridolin in der selben Nacht verschiedenen Frauen in die Arme und er bringt sich schließlich auch selbst in Gefahr. Wird Fridolin seine Frau betrügen? Wird er unbeschadet nach Hause kehren?
Rezension:
Arthur Schnitzler hat hier das doch sehr allgemeine Thema Treue auf sehr besondere Weise untersucht. Mit sehr wenigen Handgriffen hat er ein ganz spezielles Setting geschaffen: Wien im Winter, schmale Gassen, Kostüme, Dämmerung…..Die Hauptcharaktere Fridolin und Albertine sind beide glaubhaft dargestellt, allerdings merkt man bei genauerer Betrachtung auch, wie konstruiert sie sind. Albertine bleibt als Charakter teilweise flach, der Fokus der Novelle liegt klar auf Fridolin.
Schnitzlers Schreibstil ist recht komplex und die ersten Seiten waren ziemlich gewöhnungsbedürftig. Man findet als Leser dann aber doch in die Schreibweise hinein und nach ein paar Seiten hat es mich nicht mehr gestört. Obwohl Charaktere, Handlung und Schreibstil teilweise konstruiert erscheinen, ist die Novelle dennoch spannend. Diese Spannung wird vor allem durch das interessante Setting und Fridolins Verhalten ausgelöst. Das Ende der Novelle ist jedoch keine Überraschung (und wird sogar im U4-Text verraten).
Für mich ist die Traumnovelle definitiv einer der besseren Novellen, die ich bisher gelesen habe. Ich habe bei Novellen nämlich häufiger das Problem, dass ich das Gefühl habe, dass in der Geschichte fehlt. Das war hier nicht der Fall, was vielleicht daran liegt, dass die Erzählweise so stark auf Fridolins Charakter und Verhalten ausgerichtet ist. Dass die Novelle in oben genannten Aspekten recht konstruiert erscheint, fand ich auch nicht schlimm. Ich fand ich sogar eher bemerkenswert, wie Schnitzler es geschafft hat, die fiktionale Realität als möglichen Traum zu beschreiben, wie er in der Novelle eine parallele Welt schafft, die gleichzeitig Wirklichkeit und Traum sein kann.
In dieser Reclam-Ausgabe findet sich im Anhang ein interessanter Aufsatz (wohl vom Hg. Michael Scheffel) zur Traumnovelle, in der noch einmal einige Komponenten der Novelle untersucht werden. Diesen Aufsatz fand ich sehr spannend und aufschlussreich und bestimmt auch für Nicht-Literaturwissenschaftler sehr interessant!
Fazit:
Eine interessante Geschichte mit nicht ganz einfachem Schreibstil. Für mich ist die Traumnovelle aber definitiv ein massentauglicher literarischer Klassiker, der zwar nicht durch Spannung auftrumpft, es aber schafft, allgemeingültige Themen (Treue, Liebe, Affären) auf sehr beeindruckende Weise darzustellen.
Anmerkung zur Verfilmung [ Eyes Wide Shut]:
Eyes Wide Shut ist die bekannte Verfilmung der Traumnovelle, die Stanley Kubrick in den 90er Jahren gedreht hat. Die Verfilmung ist in bestimmten Teilen eine 1:1 Übernahme der Novelle, allerdings wurde die Handlung ins New York der heutigen Zeit verlegt. An sich fand ich den Film gelungen, allerdings sollte man ihn nicht vor der Lektüre sehen. Das hat mir nämlich leider teilweise die Lektüre vermiest, weil ich im Kopf mit den Settings (Wien vs. New York) durcheinander kam und dann auch noch dauernd Tom Cruise vor Augen hatte……..
2 Kommentare
hab's gelesen, aber die verfilmung noch nicht gesehen. ein klasse buch, und mein freund meint die verfilmung wäre auch sehr gelungen (vielleicht sollte ich sie doch noch sehen?).
Die Verfilmung von Kubrick ist wie so viele seiner Werke ein Meisterwerk. Was die Reihenfolge angeht, kann ich allerdings nur zustimmen: Besser erst das Buch lesen!
Eine kleine Anmerkung zu Ihrer meiner Ansicht nach sehr gelungenen Rezension: Ich empfand Albertine als Charakter keineswegs flach, gerade in ihrem Traum zu Hause offenbart sich doch eine recht aufregende Befreiungsphantasie!
Als Fußnote: Die Novelle ist momentan als kostenloser Download verfügbar. Ich hoffe, Sie sehen mir nach, dass ich an dieser Stelle auf mein eigenes Blog ( gratissime.de) verweise.