ERSCHEINUNGSJAHR 2008 | SPRACHE Deutsch
VERLAG Weltbild | SEITEN 128 | PREIS € 9,95 (SoftCover)
Klappentext:
Stella Petersen war zweifellos eine der beliebtesten Lehrerinnen am Lessing-Gymnasium. Ihre Lebensfreude, ihre Intelligenz und Belesenheit verschafften ihr die Anerkennung und den natürlichen Respekt des Kollegiums wie den ihrer Schüler. Und gewiss führte die Liebe zu ihrem Schüler Christian, die über das ungleiche Paar am Ende der Sommerferien hineinbrach, zu jener Verwirrung der Gefühle, deren Intensität und Kraft beide überwältigt.
Inhalt:
Die Geschichte beginnt mit der titelgebenden Schweigeminute, mit einer Trauerfeier die Stella Petersen gewidmet ist. In der Aula des Lessing-Gymnasiums hat sich die ganze Schülerschaft und das Lehrerkollegium versammelt, um der beliebten Lehrerin zu gedenken.
Der 18-jährige Oberstufenschüler Christian ist besonders getroffen von der Situation, denn für ihn war Stella Petersen mehr, als nur seine attraktive Englischlehrerin. Im zurückliegenden Sommer hatte sich zwischen ihm und Stella eine zarte Affäre entwickelt….
Rezension:
Im Fokus dieser kleinen Geschichte (Novelle!) steht die Affäre zwischen Christian und Stella. Während der Schweigeminute / Trauerfeier erinnert sich Christian an viele Momente zurück, die er gemeinsam mit Stella in der kleinen Küstenstadt Hirtshafen an der Ostsee verbracht hat. Die eigentliche Geschichte wird damit generell rückblickend erzählt, hin und wieder gibt es dann einen Schwenk zurück in die Gegenwart zur Trauerfeier. Diese Erzählweise hat mir gut gefallen, weil dadurch die Affäre entrückt aus der Realität wirkt und vielleicht die Unmöglichkeit einer solchen Affäre betont wird.
Die Geschichte wird komplett aus Christians Sicht (Ich-Form) erzählt. Teilweise spricht er Stella in seinen Erinnerungen direkt an, teilweise berichet er dem Leser über sie in der dritten Person. Damit steht klar Christian im Mittelpunkt der Novelle. Sein Charakter ist sehr gut dargestellt. Besonders die Denkweise und Gefühlswelt eines 18-jährigen Schülers fand ich überzeugend dargestellt. Das einzige, was ich ein wenig unlogisch fand, war das Christian mit seiner ein wenig unsicheren, naiven Art es zum Klassensprecher geschafft hat.
Stella hingegen bleibt dem Leser immer ein wenig ferner, auch wie eine Person, die nicht ganz der Realität entspricht. Sie wird als sehr hübsch dargestellt, eigentlich als perfekt. Damit bleibt sie für den Leser natürlich auch ein wenig flach. Vielleicht da sie Englischlehrerin ist, hat Siegfried Lenz sich dafür entschieden, sie ein paar Sätze auf Englisch sagen zu lassen. Da habe ich den Sinn nicht ganz verstanden und irgendwie fand ich das auch ein wenig plump gestaltet.
Der Schreibstil hat mir sehr gefallen. Lenz hat eine besondere Art von Ostsee-Romantik eingefangen, die Schilderungen sind authentisch und die Formulierungen gehen stark ins Poetische. Ich hatte aber leider das Gefühl, das Lenz diesen Schreibstil in der zweiten Hälfte der Novelle nicht so signifikant durchhalten konnte.
Bedingt durch die Kürze der Form (Novelle!), ist man als Leser natürlich auf einen Handlungsstrang konzentriert. Die Idee und Konstruktion der Geschichte hat mir sehr gefallen, allerdings muss man auch zugeben, dass während der Geschichte nicht viel Weltbewegendes passiert. Die knappe Form erlaubt es nicht, viele Details oder intime Dinge einzuflechten und leider war ich dadurch sehr wenig emotional berührt von der Geschichte. Das kann natürlich ein Stilmittel sein, dass man sich dadurch fühlt wie ein Außenstehender, vielleicht ein Freund Christians, der zwar von der Affäre weiß, dem natürlich aber nicht alle Details dargeboten werden. Ich persönlich hätte mir aber dennoch ein wenig mehr Dramatik und Emotionalität gewünscht. Deshalb war ich ein wenig enttäuscht, auch weil der Klappentext mir doch eine Beziehung mit Gefühlen versprach „deren Intensität und Kraft beide überwältigt“….Diese Eigenschaften sind bei mir als Leser leider nicht angekommen.
Die Geschichte ist übrigens generell zeitlos und stellt vielleicht ein exemplarisches Beispiel für diese Art von Liebesbeziehung dar. Der kleine Küstenort, Hirtshafen, ist fiktiv; es werden eigentlich keine Hinweise auf eine zeitliche Verortung gegeben. Nur die angesprochenen (Seemanns-)Lieder deuten auf die 1960er Jahre hin.
Fazit:
Eine Novelle, die besonders durch den schönen poetischen Schreibstil und das Setting besticht. Die Grundidee hat mir sehr zugesagt, leider konnte mich die inhaltliche Umsetzung nicht komplett überzeugen. (Vielleicht bin ich es aber auch einfach nicht gewohnt, Novellen zu lesen).
Achtung an alle Buchblogger:
Dieses Exemplar ist ein Wanderbuch von Julia / Bücherquotes. Wer Lust hat, es zu lesen, schreibt mir bitte eine Mail an thelinesbetween[at]gmx[dot]de mit dem Betreff Schweigeminute. Sollten sich mehrere melden, werde ich die entsprechenden Mailadressen weiterleiten.