Die deutsche Taschenbuch-Ausgabe hat 288 Seiten, ist im Fischer Verlag erschienen und kostet 7,95€.
Kurzbeschreibung (selbst übersetzt):
Ein Flugzeug muss auf einer Insel notlanden und die einzigen Überlebenden sind eine Gruppe Schuljungen, die sich am Strand versammeln und auf Rettung warten. Am Tag leben sie in einem Paradies, bewohnt von fantastischen Vögeln und umgeben von tiefer blauer See, doch in der Nacht werden sie ihn ihren Träumen von schrecklichen Ungeheuern heimgesucht. Nach und nach verlieren die Kinder das Gefühl für Ordnung, ihre Träume werden primitiver und ihr Verhalten wird wilder und tödlicher….
Inhalt:
In nicht spezifizierter Zeit findet ein atomarer Krieg statt. Ein Flugzeug fliegt aus dem Krisengebiet, doch es fängt Feuer. Eine Art Rettungskapsel, in der sich Schuljungen befinden, wird abgesprengt und landet auf einer unbewohnten Insel….
Zugegeben, vom Titel her hatte mich dieses Buch bisher nicht angesprochen. Und auch das Penguin-Cover mit der Fliege fand ich nicht besonders ansprechend. Da ich aber für eine Reading Challenge noch ein Buch mit einem Titel im Titel lesen „musste“ und ich letztendlich bei Waterstone’s in Leeds ein Exemplar mit einem anderen Cover gefunden hatte, so viel die Entscheidung letztendlich doch auf Lord of the Flies.
Ehrlich gesagt hatte ich von dem Buch nicht viel erwartet, hatte mich nicht über das Buch informiert und war dann doch positiv überrascht!
In 12 Kapitel schildert Golding verschiedene Phasen des Lebens und Überlebens auf der Insel, wo bei stets zwei rivalisierende Charaktere gegenüberstehen: der circa 12-jährige Ralph, der versucht die Gruppe durch klare Regeln einer Art Demokratie zusammen zu halten, und der gleichaltrige aber eher impulsive Jack, der das Leben auf der Insel eher als Abenteuer sieht. Beide sind geborene Anführer, verfolgen aber andere Ziele.
Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet, aber eher nicht komplex. Dies verstärkt den fabel-haften Charakter des Buches. Hinzukommend erfährt man nicht den Namen aller Jungen, die sich auf der Insel befinden, oft wird nur von „Littluns“ (= the little ones, die kleinen, 6-Jährigen) und „Biguns“(die älteren) gesprochen. Golding zeigt dadurch mit einfachen Mitteln, wie auf der Insel eine eigene „Gesellschaft“ mit Schichten, Sprache, unterschiedlichen Aufgaben und Machtverteilung entsteht. Besonders interessant ist, dass alle Jungs vor dem Absturz eine höhere Schulbildung genossen haben.
Das Buch beinhaltet viele Dialoge und ist dadurch sehr lebendig. Gleichzeitig gibt es aber auch einige Passagen, die deutlich machen, dass Golding hier eine Fabel schreiben wollte. Der Autor schafft es, in einzelne Wörter und Phrasen so viel Interpretationspotential zu legen, dass sie dem Leser beim ersten Lesen gar nicht auffallen. Die Mischung von Fiktion und Fabel ist im Endeffekt perfekt: die Geschichte ist spannend und hat interessante Charaktere, andererseits zielt der Schreibstil und der Symbolcharakter mancher Wörter und Phrasen eindeutig auf das Genre der Fabel ab.
Die einzelnen Szenen sind nicht zu ausführlich geschildert, auch geht die Handlung eher langsam voran. Dies ist für mich aber ein positiver Punkt, da sich so dem Leser die Möglichkeit bietet, über das gerade Gelesene nachzudenken. Denn Golding wirft mit diesem Werk viele Fragen auf: Liegt Gewalt in der Natur des Menschen? Wie stark sind wir von unserer Kultur und Zivilisation geprägt? Können Kinder anderen Kindern Gewalt antun? Warum? Warum nicht? Welchen Einfluss hat unsere heutige Erziehung auf die Psyche des Menschen? Und natürlich: Ist Goldings Schilderung realitätsnah?
Ein eindrucksvolles, teilweise auch beängstigendes Buch, welches durch Wahl des Schauplatzes und der Charaktere beeindruckt. Das Symbolhafte und Fabel-hafte ist nicht zu vorherrschend, die Spannung geht für den Leser nicht verloren. (Man will ja erfahren, ob die Kinder gerettet werden.) Im Nachhinein hat aber doch der Titel gestört – der „Lord of the Flies“ kommt in der Geschichte kaum vor. Auch verrät das Vorwort dieser Ausgabe zu viel von der Handlung. Und es wäre leserfreundlicher gewesen, wenn die Notizen zum Text als Fußnoten am Seitenende stünden – sofern man sich für die Notizen interessiert, nervt das ständige Umblättern ein bisschen…
Fazit:
Eine Mischung aus Fabel und Fiktion, die auf entrücktem Schauplatz die kindliche Unschuld in Frage stellt. Trotz hohen Symbolcharakters kommt die Spannung jedoch nicht zu kurz. Ein Buch, welches sich dem Leser wahrscheinlich erst nach dem zweiten Lesen verständlich macht. Da plot und Charaktere in diesem Zusammenhang wohl aber einzigartig sind – unbedingt lesen!
Anmerkung:
Wer das Buch im Original lesen möchte, sollte über gute bis sehr gute Englischkenntnisse verfügen oder sich eine Ausgabe mit Vokabelhilfen suchen, da der Schauplatz (paradiesische Insel) einige Besonderheiten an Vokabular aufweist und Goldings Schreibstil an sich auch nicht der einfachste ist.
Die Version, die ich gelesen habe (siehe Cover), beinhaltet neben hilfreichen Erklärungen (auf Englisch) auch ein Vorwort und ein Essay von Golding zum Thema Fabel. Das Vorwort würde ich bei dieser Version allerdings hinterher lesen, da es schon recht viel verrät und außerdem ein wenig verwirrend ist.
4 Kommentare
Eine tolle Rezension:)
Wir haben "Lord of the Flies" damals im Englisch-Unterricht gelesen und ich fand es sehr interessant, obwohl man sich wegen das sprachlichen Anspruchs etwas durchbeißen musste.
ich habe das buch selbst noch nicht gelesen und weiß auch nicht ob ich das so unbedingt will. allerdings habe ich den stoff letzten sommer als theaterinszenierung hier in oslo im nationaltheater gesehen, die rollen nur mit frauen besetzt. das war unglaublich spannend und hat der geschichte nochmal andere dimensionen gegeben..
Ich hab es als Hörbuch zuhause liegen. Bisher noch ungehört, freudig erwartend auf den Tag, an dem ich es in den Recorder schmeiße. Ich weiß, dass es an vielen Schulen als Unterrichtslektüre gehandelt wird und wundere mich daher umso mehr, dass das an meiner Schule nicht der Fall war. Vlg Steffi
@Steffi: Naja, da ja zum Glück noch nicht alle Unterrichtslektüre zentralisiert ist, hast du vielleicht einen Lehrer gehabt, der mit dem Buch nicht so viel anfangen konnte? Und die Sprache ist ja auch nicht sooo einfach. Obwohl, ich hätte es gerne in der Schule gelesen – es bietet einfach viel Diskussionspotential!
lg, Cara